Warum ist die Zielmarktdefinition für die Zukunft der Beratung existenziell? Und was genau sind Zielmarktportfolios?

Seit der Einführung der MiFID II beschäftigt uns der so genannte Zielmarkt. Genau genommen ist dies erst einmal etwas, das die Produktgeber, also die Fondsgesellschaften beschäftigt, da sie ihn für jeden Fonds definieren müssen. Allerdings spielt der Zielmarkt auch in der Beratung eine wichtige Rolle, da jeder Berater die Anlageziele seines Kunden mit dem Zielmarkt des Produktes abgleichen muss. So kann es zum Beispiel dazu kommen, dass ein Kunde einen Fonds, den er schon heute im Bestand hat, nicht mehr nach-kaufen kann. Aber der Reihe nach …

Was ist eigentlich ein Zielmarkt?

Der Zielmarkt teilt sich in die nachfolgenden wesentlichen Faktoren auf:

1. Die Kundengruppe: Hierbei wird unterschieden zwischen Privatkunde, professionellem Anleger und geeigneter Gegenpartei.

2. Kenntnisse und Erfahrungen: Hier kann z.B. eine Vorbildung durch eine Ausbildung oder das Ausüben einer Tätigkeit bestehen, der Kunde kann selbst praktische Erfahrungen haben, etwa durch bereits getätigte Geschäfte. Wichtig ist, dass fehlende Erfahrung durch Kenntnisse kompensiert werden kann, die dann in der Beratung vermittelt werden müssen.

3. Finanzielle Verhältnisse und die sogenannte Verlusttragfähigkeit: Hierbei ist entscheidend, welche prozentualen Verluste der Kunde bereit ist zu tragen beziehungsweise welche er tragen kann. Das gilt besonders im Hinblick auf Zahlungen, die den Investitionsbetrag übersteigen, z. B. Margin-Zahlungen oder Nachschüsse. Außerdem sollte die neue Anlage in den Kontext seines Gesamtvermögens eingegliedert werden.

4. Risikotoleranz und -bereitschaft: Die Risikobereitschaft des Kunden wird dabei kategorisiert durch das Risikoprofil „spekulativ“, „risikoorientiert“, „ausgeglichen“ oder „konser-vativ“. Hier gibt es durch die BaFin klare Vorgaben, nämlich die Verwendung des Risiko-Indikators nach SRRI bzw. SRI, wie er seit geraumer Zeit auf allen Fonds Factsheets zu finden ist (siehe PRIPPS- und UCITS Richtlinie).

5. Kundenziele und -bedürfnisse: Die Kundenziele sind z.B. Vermögensaufbau, Liquiditätsversorgung, Spekulation oder auch Altersvorsorge. Die Kundenbedürfnisse können eine Spezifizierung der Ziele mit darüber hinausgehenden Bedürfnissen, z. B. längerfristige finanziellen Ziele, übergeordnete Anlagestrategien oder auch Nachhaltigkeitskriterien, sein.

Hierbei sei darauf hingewiesen, dass das Thema Nachhaltigkeit voraussichtlich noch im Jahr 2019 zur Pflichtabfrage werden wird. Diese Kundenangaben müssen Sie dann mit den Angaben jedes einzelnen Fonds, bei jedem Anlagevorschlag oder der Neuanlage abgleichen. Es ist also nicht mehr so, dass man als Berater einfach einen Fonds seiner Wahl empfehlen kann.
Im Gegenteil, die Beratung beginnt bei der Analyse des Kunden und erhält durch sie einen bestimmten Zu-schnitt, der auch bedeutet, dass etwaige Lieblingsfonds, selbst wenn sie bereits im Portfolio berücksichtigt sind, eventuell nicht mehr verkauft werden können, weil der Zielmarkt des Kunden und der des Fonds nicht überein-stimmen.

Was hat das mit Portfolios zu tun?

Unserer Ansicht nach werden durch diese Überprüfung, vor dem Kauf und auch in
der weiteren Betreuung der Kunden, zielmarktkonforme Portfolios für Berater zur Pflicht, wenn sie auch zukünftig effizient arbeiten wollen. Nicht nur regulatorisch, sondern auch aus Wettbewerbsgründen, denn der „Zielmarkt“ erfordert nichts Geringeres als das Portfolio transparent an den Kundenbedürfnissen auszurichten.
Genau in diese Lücke stoßen übrigens bereits heute die sogenannten Robo Advisor. Einige von ihnen verzeichnen insbesondere aufgrund der transparenten Portfoliozusammensetzung und des Investmentprozesses regen Zulauf, da der Kunde exakt ein Portfolio empfohlen bekommt, das seine Anlageziele erfüllen soll. Er kauft also keinen Fonds sondern ein Gesamtkonzept.

Zielmarktgerechte Portfolios im Praxisbezug

Wir bieten unseren Partnern bereits seit langem die Möglichkeit, eigene Modellportfolios zu erstellen oder aber, seit Januar 2018, unsere Zielmarktportfolios als Impuls für ihre Depots zu nutzen bzw. zu adaptieren und mit eigenen Ideen zu individualisieren. Denn, und das ist wichtig hervorzuheben, Modellportfolios bedeuten nicht, dass der Kunde ein Produkt von der Stange bekommt! Es bedeutet, dass er ein Portfolio bekommt, das auf seine Anlageziele hin abgestimmt ist und durch Sie als Berater effizient überwacht werden kann. Man kann sich das am Beispiel der Maßschneiderei und Maßkonfektion verdeutlichen. Individuelle Portfolios entsprechen in der Mode der Maßschneiderei – es wird jeder Millimeter exakt auf den Kunden angepasst. Modellportfolios entsprechen der Maßkonfektion, bei der der Schneider eine bereits gut sitzende Kleidergröße exakt auf den Kunden zuschneidet. Was in der Mode den Preisunterschied ausmacht, ist in der Anlageberatung der Unternehmerlohn bzw. der persönliche Zeitaufwand pro Kunde.
Nutzen Sie also Modellportfolios und berücksichtigen Sie pro Portfolio unterschiedliche Anlageziele und -motive, clustern Sie Ihre Kunden nach Alter, Anlagedauer und Risikoneigung. Somit haben Sie zukünftig für alle Kundengruppen regulatorisch einwandfreie und effiziente Portfolios mit optimiertem Risiko-Rendite-Verhältnis – kurzum: Qualität im Kundendepot.

Über den Autor

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Dr. Frank Ulbricht

Dr. Frank Ulbricht wurde 2012 in den Vorstand des BCA Konzerns berufen und ist dort zuständig für die Ressorts Controlling/Rechnungswesen, Personal, Recht und Compliance.