Modern Monetary Theory – Ein Überblick

Der Modern Monetary Theory (MMT) folgend sollen sich sowohl die Finanz- als auch die Geldmarktpolitik an öffentlichen Zielen ausrichten, insbesondere an der Vollbeschäftigung. Doch was steckt hinter dieser Theorie, was unterscheidet sie von der althergebrachten Notenbankpolitik der Fed und inwieweit ist sie tatsächlich umsetzbar? Einen Überblick darüber geben wir Ihnen in diesem Beitrag.

Was die Modern Monetary Theory beinhaltet

Nach der Modern Monetary Theory sollen sich sowohl die Finanzpolitik als auch die Geldmarktpolitik an öffentlichen Zielen orientieren, das heißt, sie sollen im Sinne der Allgemeinheit – der Gesellschaft sozusagen – Arbeitslosigkeit, Ungleichheiten, Rezessionen und weitere soziale Missstände bekämpfen. Ein starker Fokus der MMT liegt auf der Vollbeschäftigung, die die Finanz- und die Geldmarktpolitik anstreben sollten. Denn der Modern Monetary Theory folgend kann der Staat „jederzeit Arbeitslosigkeit beseitigen durch ein Handeln als ‚Employer of Last Resort‘“, so Warren Mosler. In seinem MMT-Aufsatz argumentiert Mosler, dass Arbeitslosigkeit durch ein geringes Staatsdefizit bedingt sei und zudem der Wert einer Währung durch die Preise des Staates gesetzt würde. Er argumentiert – und kritisiert – weiter, dass die Wirtschaftspolitik heutzutage darauf ausgelegt sei, durch die Zinspolitik der Zentralbank in Zeiten zu hoher Inflationsraten Arbeitslosigkeit zu schaffen. Diese sei wiederum ohne Weiteres jederzeit zu beseitigen mit dem oben genannten „Employer of Last Resort“-Handeln. Mosler führt weiter aus, dass keine Krise zu tief sei, um sie nicht mittels staatlicher Geldschöpfung und Steuerreduzierung bewältigen zu können.

Dabei gründet MMT einerseits auf einer eigenen Analyse des Geldsystems, wobei sowohl die Geldschöpfung als auch die fiskalischen Operationen und die Instrumente der Zentralbank beispielsweise mit doppelter Buchführung analysiert werden. Andererseits gewähren Banken Kredite gegen Sicherheiten, ohne dass dabei auf Ersparnisse zurückgegriffen wird, so die MMT. Weiterhin geht die MMT davon aus, dass ein Staat erst Geld in Umlauf bringt, um es durch das Auferlegen und Einziehen von Steuern wieder zu vernichten. Zu guter Letzt zeichnet sich die Modern Monetary Theory dadurch aus, dass die angewendete Bilanzsichtweise auf sogenannte T-Konten zurückgreift und eine Aufteilung der Wirtschaftssektoren in drei Bereiche vornimmt:

  • Staat
  • Private (Unternehmen und Haushalte)
  • Externe (der Rest der Welt)

Dem Staat kommt in der MMT eine fundamentale Rolle zu: Als Monopolist ist er der Schöpfer der Währung, doch seine Ausgaben „finanziert“ er damit nicht. Ihm kommt die Aufgabe zu, den privaten Sektor überhaupt erst in die Lage zu versetzen, die zu erhebenden Steuern zu zahlen. Übersetzt hat dies zur Folge, dass explizit auf Bundesebene die Emission staatlichen Geldes Steuerzahlungen überhaupt erst ermöglicht und nicht umgekehrt Staatsausgaben finanziert.

Kernthesen der Modern Monetary Theory

Die Verfechter der Modern Monetary Theory sehen sich den Problemstellungen gegenüber, dass die wirtschaftliche Nachfrage stagniert, während die finanzielle Instabilität in der Gesellschaft wächst. Die nachfolgenden Grafiken verdeutlichen die sozialen Unterschiede und die finanzielle Instabilität anhand der jährlichen Haushaltseinkommen im Mutterland der MMT, den USA. Die Haushaltseinkünfte der US-Amerikaner werden in Gruppen unterteilt und die 126 Millionen Haushalte diesen Gruppen zugeordnet.

Die Größe des in jedem kleinen Viereck abgebildeten Hauses steht für die Höhe der Einkünfte, die Anzahl der Vierecke für die Anzahl der Haushalte jeder Gruppe. Die Gruppe der kleinsten Häuser zeigt die Anzahl der Haushalte, die unter der offiziellen Armutsgrenze von rund 25.000 US-Dollar für einen 4-Personen-Haushalt leben. Hinzu kommen der Unterschicht zugeordnete Haushalte, deren Einkommen bis zu 50.000 US-Dollar beträgt. Insgesamt sind diesen beiden Gruppen über 54 Millionen Amerikaner zuzuordnen. Zur Mittelschicht zählen Haushalte mit einem Jahreseinkommen über 50.000 US-Dollar. Der Betrag liegt unterhalb des Mittleren Wertes (Median) von rund 61.000 US-Dollar. Die Gruppe mit einem Einkommen zwischen 50.000 und 150.000 US-Dollar ist ebenso groß wie die der Unterschicht, doch zeigen Analysen, dass der Umfang dieser Gruppe abnimmt.

So verbleiben weniger als 20 Millionen Amerikaner mit einem Einkommen von mehr als 150.000 US-Dollar.

Nur etwa 1 % der Amerikaner verfügt über ein Haushaltseinkommen von mehr als 300.000 US-Dollar.

Quelle: https://www.visualcapitalist.com/household-income-100-homes/, US Department of Health and Human Service, Bureau of Labour Statistics, Daten aus dem Jahr 2017

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie einerseits mit den zunehmenden Ungleichgewichten umgegangen werden kann und wie der wirtschaftliche Nutzen innerhalb der gesamten Gesellschaft gerecht verteilt werden kann.

MMT-Vertreter/-innen haben beobachtet, dass Staaten, die über eine eigene Währung und gleichzeitig über keine Auslandsverschuldung verfügen, nicht Bankrott gehen können – einfach weil die eigene Notenbank unendlich viel Geld drucken kann. Dieser Beobachtung folgend haben sie folgende Kernthesen entwickelt:

  • Betrachtet man das gesamte Wirtschaftssystem, ist ein ausgeglichener Staatshaushalt nicht das Optimum.
  • Da die Notenbank jederzeit neues Geld drucken kann, können sich Länder mit einem freien Wechselkurs sehr hoch verschulden, da die Altschulden mit dem neuen Geld gedeckt werden können.
  • Um das höchste aller Ziele, die Vollbeschäftigung, zu erreichen, sollten fiskalpolitische Maßnahmen wie beispielsweise Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld sowie Steuersenkungen eingesetzt werden. Denn erhöhte Staatsausgaben führen nicht zu einer erhöhten Inflation, wenn sie zur Bekämpfung wirtschaftlicher Krisen eingesetzt werden.
  • Die Notenbank kann nur den Zins kontrollieren, nicht jedoch die im Umlauf befindliche Geldmenge, da die Geldschöpfung von den Banken übernommen wird.

Kritik an der Modern Monetary Theory

Wie jede Theorie hat auch die Modern Monetary Theory einige Kritiker. Die am häufigsten geäußerte Kritik bezieht sich darauf, dass die MMT zu einer zu hohen Inflation, ja gar einer Hyperinflation, führen kann. Argumentiert wird, dass eine steigende Geldmenge zu einem sehr hohen bis überproportionalen Rückgang der Nachfrage nach der entsprechenden Währung führt und somit die Währung letztlich zerstört wird.

Angezweifelt wird ebenso die tatsächliche Wirkung der von der MMT fokussierten Vollbeschäftigung, für die es Kritikerinnen und Kritikern zufolge keine Begründung gebe. Die Hans-Böckler-Stiftung spricht von der Modern Monetary Theory in einem Working Paper gar als „polemische Politik für Depressionszeiten“, der die ökonomische Fundierung fehle.

Oft wird die Modern Monetary Theory mit der Hyperinflation in lateinamerikanischen Staaten wie beispielsweise Venezuela in Zusammenhang gebracht und MMT-ähnliche Vorstellungen werden für ebendiese verantwortlich gemacht. Obschon das Anliegen der Modern Monetary Theory, Fiskalpolitik wirksamer zu gestalten, durchaus auch bejaht wird, wird der Ansatz an sich nicht als der richtige wahrgenommen.

Dem Vorwurf der verursachten Hyperinflation begegnen MMT-Vertreter/-innen mit der Aussage, dass der MMT-Ansatz durchaus genau abgestimmte Budgetdefizite und nicht beliebig hohe Staatsdefizite fordere.

Aktuelle Notenbankpolitik der Fed und Modern Monetary Theory

Obgleich die MMT-Thesen im absoluten Gegensatz zum bisher weitestgehend gelebten ökonomischen Gebaren stehen, tendieren Notenbanken seit einiger Zeit dazu, der MMT ähnlich vorzugehen. Dies zeigt sich, wenn man die aktuelle Notenbankpolitik vor dem Hintergrund der Modern Monetary Theory betrachtet.

So besitzt beispielsweise die japanische Notenbank (BoJ) bereits mehr als 40 % aller ausstehenden japanischen Staatsanleihen und hält so den Zins seit mehreren Jahren bei 0 %. Ebenfalls in diese Richtung deuten zum Beispiel auch die Nullzinspolitik und der Kauf von Staatsanleihen seitens der EZB. Das Zusammenspiel von Staat und Notenbanken zeigen die beiden folgenden Grafiken. Die linke Grafik zeigt den Anstieg der Staatsschulden durch konjunkturpolitische Maßnahmen in der EU, Japan, den USA und dem Vereinigten Königreich. Die rechte Grafik verdeutlicht den Gleichklang mit der Ausweitung der entsprechenden Zentralbankbilanzen.

Quelle: Degroof Petercam, Datastream

 

Modern Monetary Theory und Corona

Insbesondere seit dem Aufkommen der Pandemie haben Notenbanken weltweit verstärkt an den Anleihemärkten investiert.

Die von Notenbanken vollzogenen Käufe von Anleihen aus dem gesamten Anleihenspektrum und von Aktien zeigt die nachfolgende Grafik für den Zeitraum ab 2008. Die Bank of Japan hatte bereits in den 90er-Jahren mit beachtlich hohen Anleihekäufen in den Markt eingegriffen. Die Grafik zeigt für den Zeitraum von 2005 bis 2008 im Wesentlichen unveränderte Zentralbankbilanzen. Die Fed und die EZB setzen Quantitative Easing seit 2008 vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Krise verstärkt ein. Seit 2008 steigen die Käufe sukzessive an. Das erkennt man an der Höhe der Notenbankbilanz. Neben einem generellen Aufwärtstrend sind Phasen verstärkter Käufe zu beobachten. Mit Einsetzen der Pandemie schossen die Käufe ruckartig in die Höhe. In den letzten Monaten sind die Notenbankinterventionen zurückgegangen. Analysten rechnen jedoch, , mit anhaltenden Käufen auf hohem Niveau.

Somit erweitern sich die fiskalpolitischen Spielräume der jeweiligen Regierungen, was wiederum den Kernthesen der Modern Monetary Theory entspricht. Das zeigt auch die nachfolgende Grafik, die die Käufe von Staatsanleihen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt setzt.

Quelle: DWS

Auch die in den letzten Monaten von verschiedenen Regierungen herausgegebenen Konjunkturpakete zur Bekämpfung der Coronakrise bzw. zur Eindämmung ihrer Folgen haben dazu geführt, dass trotz extrem schlechter Wirtschaftszahlen noch keine Krise wie beispielsweise während der Weltwirtschaftskrise eingetreten ist.

Dies bestätigt wiederum die Thesen der MMT und lässt möglicherweise die Modern Monetary Theory zur Vorlage für den makroökonomischen Umgang in Krisenzeiten werden.

Die Auswirkungen von MMT auf Asset-Klassen

Während sich die momentanen Geschehnisse auf makroökonomischer Ebene gut durch die Modern Monetary Theory erklären lassen, steht auch die Frage im Raum, welche Auswirkungen die MMT oder zumindest die MMT-ähnlichen Vorgänge auf die Asset-Klassen haben werden.

Die Märkte spiegeln bereits, dass die Wirtschaft – sofern die MMT recht behält – durch die starken ökonomischen Stimuli der Notenbanken und Regierungen schneller als erwartet wieder auf den Wachstumspfad kommt. Dies hat wiederum positive Auswirkungen auf Aktien und High-Yield-Bonds. Trotz generell gestiegener wirtschaftlicher Risiken ist das Zinsniveau der Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen infolge der Zinspolitik und der Notenbankinterventionen gesunken. Das verdeutlichen die folgenden Grafiken für die beiden Segmente des Anleihenmarkts.

Ebenfalls der MMT folgend sollte wiederum nicht mit steigenden Goldpreisen gerechnet werden. Denn die hohen Staatsausgaben führen gemäß der Modern Monetary Theory nicht zu einer verstärkten Inflation und somit auch nicht zu steigenden Edelmetallpreisen.

Mit einer tendenziell schlechteren Situation ist auch bei der Asset-Klasse der Staatsanleihen zu rechnen. Denn der MMT zufolge könnte die hohe Staatsverschuldung in Kombination mit einer Inflationsrate nahe null dazu führen, dass die Renditen von Staatsanleihen steigen. Das bedeutet fallende Preise für die bestehenden Anleihen.

Über den Autor

Marc Sattler

Marc Sattler verantwortet im Vorstand die Bereiche Vermögensverwaltung (PRIVATE INVESTING), Investment Research und Digitalisierung. Als Ansprechpartner für die Vermögensverwaltung steht er institutionellen- und Partner-Anlageberatern mit individuellen Anlagekonzepten und Depotanalysen zur Seite.